Die große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde, der Geschichte 20. Teil, Ort, die Konsumverkausstelle in Zweedorf am Morgen das 11. Tages.
Kerstin Drewitz war so alt wie der
Konsum selbst, in dem sie als Verkaufsstellenleiterin schon über einen
längeren Zeitraum arbeitete. Ihr Opa Achim, sie hatte ihn noch als einen
bärtigen alten Mann in Erinnerung, er sagte immer zu ihr: „ dein Geburtsjahr ist 1945“. Nun konnte sie als kleines Mädchen Wörter, die
mit großem „G“ begannen nicht aussprechen, und fragte sie einer, wann
sie geboren ist, kam ein“ dein 1945“ aus ihrem Mund. Das war immer sehr
lustig anzuhören und später erzählte er ihr noch , das ihr Geburtsdatum
mit dem Befehl Nr. 176 der sowjetischen Militär- Administration zusammenfiel, nach dem am 18.12. 1945 diese im Einklang mit den Vorschlägen der Arbeiterpartei dem Neubau der Konsumgenossenschaften und mit der Rückgabe der Vermögenswerte die Rechtsgrundlage für die KG, für deren Tätigkeit geschaffen hatten.
Schon als kleines Mädchen wollte sie Verkäuferin werden und ihr Traum ging in Erfüllung. Nun hieß es verteilen, nein nicht die Grundnahrungsmittel so wie Mehl, Zucker, Salz, Brot, Brötchen, Milch und dutzenden Anderes, es hieß die Bananen und Apfelsinen verteilen, wenn denn im großen Auslieferungslager, der Handelsgenossenschaft in Ludwigslust mal einige dieser Kisten aus dem Überseehafen Rostock ankamen.
Denn als erstes nahm sich der
Lagerleiter Dieter Dombrowski und sie konnte diesen schmierigen Hund
nicht leiden, obwohl er ebenfalls ein „Dieter 1945“ war, was sie in
seiner Personalakte gelesen hatte, die ihr der Parteisekretär einmal so rein zu zufällig überlies.
Bei ihm wusch eine Hand die Andere und sie hatte diese Unverfrorenheit schon öfters in der Parteiversammlung angesprochen, aber die Genossen schienen einfach völlig taub zu sein, hatte doch dieser Dieter Beziehungen bis in oberste Kreise, bis ins Boizenburger Fliesenwerk, die Grenzkompanien, die Stäbe und die Werft.
So arbeiteten Soldaten, die
im wahren Leben Maurer, Maler, Fliesenleger, Heizungsmonteure und
Gas-Wasser –Schei…Klempner waren in seinem großen Eigenheim in Vier und
er nannte es frech „sozialistische Hilfe“, dieser Drecksack. Das alles
wusste sie von diesem kleinen pfiffigen Mario, diesem Exfreund von
Susanne, die auch ihre Freundin war.
Dafür kannte sie die Kraftfahrer des
Auslieferungslagers, so den schönen Bruno Bärlauch aus Dömitz und wenn
er denn mal da war, half sie ihm immer mit beim abladen und kannte seine
Leidenschaft für tief ausgeschnittene Blusen und Kleider und noch
kürzere Miniröcke, die doch jetzt in diesem Sommer 1977 der neueste modische Schrei waren.
So blieb sie öfters einmal oben auf der
Ladefläche und er unten, dann bückte sie sich tief und es sollte ihr
stets zum Vorteil gereichen, wollte sie doch in ihrem kleinen Dorfkonsum
geliebt und geachtet werden.
Er war ihr völlig erlegen, der alte Lustmolch und so verlor er schon mal drei Kisten Bananen und die
Apfelsinen dazu oder vergaß sie einfach wie in stiller Übereinstimmung,
dass sie zur nächsten Lieferung wieder dieses raffinierte kurze Teil
anhaben würde.
Er nannte sie immer zärtlich mein blonder Engel und
sie ihn Bärchen und es war ihr nicht unangenehm, weil er immer Abstand
wahrte und nicht aufdringlich neben seinen sonstigen Leidenschaften
wurde
Die Frauen standen heute früh schon Schlange, denn der Buschfunk schien immer noch zu funktionieren und sie sah in der Reihe die junge Susanne Baumann, die alte Martha Sawatski, Frau Rhönimann aus Schwanheide und die
Frau vom Grenzhelfer Woschinski, dem alten Fiesling und Anschwärzer,
obwohl sie deren tauben Sohn, den Wolfgang wirklich ganz gut leiden
konnte.
Seine Orgelkompositionen hörte man an manchen Tagen
kilometerweit und sie gefielen ihr wunderbar, erzeugten sie doch immer
so ein angenehmes wollüstiges Gefühl unterhalb der Bauchgegend, denn ihr Mann war im Gegensatz zu diesem sensiblen Wolfgang ein Kunstbanause, der nur seine trockene Arbeit auf der GÜST- Schwanheide im Kopf hatte.
Denn
seine Lieblingsbeschäftigung war Zonenreisende ärgern und das konnte er
gut, wirklich gut, so wie er manchmal am Abend erzählte.
Nur sie vergaß er immer über sein Bier und die verdammte Glotze und sie konnte sich schon gar nicht mehr erinnern, wann es zwischen ihnen das letzte Mal…es war schon zu
lange her und konnte es daran liegen, das es mit Nachwuchs einfach
nicht klappte, weil er doch so gerne Kinder wollte, nur machen tat er
auch nichts dafür, der Schlappschwanz und
so stürzte sie sich in ihre Arbeit, wollte in einigen Wochen auch
nebenan aus diesem Anbau einen großen Getränkestützpunkt eröffnen.
Susanne
gefiel ihr heute gar nicht, denn tiefe Augenringe sprachen eine berede
Sprache und bestimmt war da wieder ein „Neuer“ aus den Kompanien und als
sie an der Reihe war, wirkte sie
irgendwie nervös, konnte kaum ihren Blick erwidern, obwohl sie sonst
eine Quasselstrippe war. Auch Marie, ihre Tochter war doch bei den
Eltern und dann auf einmal heute ein ganzes Dreipfundbrot, obwohl sie
stets, so lange sie ihre Freundin kannte, nur immer ein Halbes kaufte?
Da war doch irgend etwas im Busch und Kerstin beschloss, heute nach Feierabend einmal bei ihrer Freundin vorbeizuschauen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen