Mittwoch, 30. Januar 2013

Die große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde, der Geschichte 7.Teil
Ort, die sowjetische Garnison in O, am Vormittag des siebenden Tages.

Der gelernte Kesselschmied und Dienstältester seiner kleinen Einheit Chuckin Lepzin saß inmitten von Teilen der Bordkanone und Raketen, die vor den silbernen geöffneten Behältern der Mi-24 lagen, alles schön sorgsam ausgebreitet um den großen Kampfhubschrauber im Gras am Rande der Rollbahn und dachte an seinen Freund Jahudin.
Dieser Gedanke bereitete ihm Sorge, ja leichte Magenschmerzen aber sein Bauchgefühl sagte ihm, dass dieses junge blonde Schlitzohr noch lebte. Aber selbst wenn nicht, würde er es wohl nie erfahren, dazu kannte er seinen Oberst zu gut. Der fraß es lieber in sich hinein, als mit seinen Männern darüber zu reden.
Er war nicht allein auf dem weiten Rollfeld, saß im Schatten und nur fünfzig Meter weiter vorn übte eine große Gruppe junger Soldaten das Anlegen der ABC-Schutzausrüstung in der vollen Glut der Mittagssonne und er hörte die Kommandos, Zeitnahmen, diesen ganzen wenn auch wichtigen Mist, den auch er vor langer, langer Zeit einmal über sich ergehen lassen musste. Aber alles das lag Jahre zurück.
Dieser Starschina ( höchster Unteroffiziersdienstgrad/ Oberfeldwebel) mit dem Aussehen eines krummbeinigen Reiters und der Stimme einer Ziege jagte jetzt die Jungen mit den Gesichtern von Kindern in dieser brütenden Hitze über das Rollfeld und am liebsten hätte er diesem Mongolen mit seinen verdammten Schlitzaugen eine in die Fresse gehauen für diese fiese Art, die jungen Soldaten so zu schinden, aber er war hier bloß Gast in der Garnison, sozusagen auf der Durchreise, und musste sich aus allem raushalten.
Er hatte schon viel gesehen, was sein Soldatenhandwerk betraf, war erfahren genug im Umgang mit den unterschiedlichsten Waffenarten. Sein großes Land brauchte Männer wie ihn, denn so genannte „ Stellvertreterkriege“ auf dieser schönen Erde gab es genug an der Zahl, wo es galt, unterstützend für das jeweilige Freundesland gegen diese amerikanischen Kriegstreiber tätig zu werden.
So, wenn er an die Monate in Nordvietnam zurückdachte, den dort wurde er unzählige Male Augenzeuge dieses barbarischen Luftkrieges der Amerikaner, dieser angeblichen Christen, der Zerstörung von Schulen und Betrieben, von Krankenhäusern und Wohnvierteln, von Pagoden und Kirchen, Bewässerungsanlagen der Reisfelder, Straßen und Brücken.
Er sah zerfetzte Schulbücher, blutbefleckte Kleider, Krankenbetten, die aus Trümmern ragten, verstümmelte Menschen, unzählige Tote unter der Zivilbevölkerung und vor allem immer wieder Frauen, Kinder, alte Menschen.
Ein Leid, das man kaum beschreiben konnte, er hatte eigentlich schon zu viel gesehen und bekam jetzt noch die blanke Wut wegen diesen Verbrechern, um noch an das Gute im Menschen zu glauben. Und jetzt in Afghanistan, da fing wohl alles erst an, da waren sie schon wieder am Wühlen, dieses Rattengezücht, versuchten die brüderliche Hilfe und die Aufbauleistungen seines Landes mit Hilfe ihrer Verbündeten, ihrer Vasallen zu eliminieren, zu untergraben.
Chuckin dachte an diesen Abend vor sieben Tagen, als sein Freund mit blutverschmierten Händen in das Heizhaus nicht weit von der Villa gestürzt kam, völlig aufgelöst, wo er mit noch drei anderen aus der eigenen Gruppe Domino spielte.
Es sprudelte alles aus ihm heraus, der Alte und Dina und seine Pistole und das er ihn erschießen wollte in seinem Suff, weil er mit Dina….es war doch nur Notwehr, so stammelte er in seiner Hilflosigkeit, dieses junge dumme Riesenrindvieh.
Alles weitere war eine Sache von einer geschlagenen viertel Stunde, so Sachen packen, Notproviant und alles was der junge Jude zum Überleben brauchte, dann halfen ihm kräftige Hände und Schultern den am weitesten östlich gelegenen Zaun im weiten Gelände zu überwinden.
Er half ihm seinem Freund in die richtige Spur, denn darin war er, Chuckin Lepzin ein Meister und er hätte sich jetzt selbst auf die Schulter klopfen können, und zwar in diesem Legen von falschen Fährten.
Das hatte ihm sein Väterchen schon als kleinem Jungen in den Weiten der Taiga beigebracht, wenn sie mal wieder zum wildern waren und die Genossen von der Kolchose ihnen zu nahe auf den Pelz gerückt waren, um sie anschließend vors Parteibüro zu zerren, aber da war der Alte schlauer wie sie und gab es an seinen Sohn weiter.
„ Halte dich östlich, aber dann, an dieser Bahnstrecke, die wenige Kilometer hinter O. liegt, versuche einen Güterzug in die andere Richtung zu entern“, und Güterzüge voll beladen mit Kohle und anderem Wirtschaftsgut gab es zu jeder Tages und Nachtzeit im Minutenabstand auf dieser viel befahrenen Strecke.
„Sie müssen denken, du willst in unsere Heimat“, und er schüttelte ihn, dass er aus seinem schockähnlichen Zustand wieder klare Gedanken fasste.
Er gab ihm seinen kleinen Wurfanker mit dem elastischen Seil und beschwor ihn, so aufgelöst der Junge auch war, die Ruhe, in jeder Situation nur die Ruhe zu bewahren. Wie fieberhaft redete er auf ihn ein, selbst erschrocken über diese saudumme Sache, die sich wenige Minute vorher in der alten Villa abgespielt hatte. Der kleine Anker war sein Talisman, hatte er ihm doch schon mehrfach vor dem sicheren Tod bewahrt, und so sollte es auch bei seinem Freund bleiben.
Sie kamen gerade noch rechtzeitig zurück, zu ihrem Domino, da stand der Alte mit der Pistole in der Tür, volltrunken und mit blutverschmierter Uniform, schon nicht mehr Herr seiner fünf Sinne. Dann brach der Oberst zusammen, rutschte am Türrahmen ganz langsam herunter und im Durcheinander der folgenden Stunden gewann sein junger Freund einen Vorsprung, wie ein unschätzbarer Glücksumstand für ihn, denn erst gegen Morgen setzte die Suche nach dem Flüchtigen mit allem verfügbaren Kräften dieser Garnison ein.
Aber die Verfolger verloren seine Spur, das konnte er an ihren enttäuschten Gesichtern gut ablesen und so war seine Arbeit nicht umsonst. Sein junger Freund war erst einmal über alle Berge.
In dieser Nacht des darauf folgenden Tages schlief er einen traumlosen Schlaf.
Die Männer hielten dicht, denn auf seine kleine Gruppe war auch in dieser verzwickten und unüberschaubaren Situation Verlass und nur einer wusste mehr und das war er, Chuckin Lepzin, denn er hatte es irgendwie kommen sehen, dieses Unheil.
Diese leicht fertigen Offiziersweiber, sie bringen den Jungen noch mal ins Grab, aber das war ja auch kein Wunder, wenn der eigene Alte säuft und Frau Gemahlin zwischen den Beinen vor Verlangen fast verbrennt und er musste jetzt schmunzeln, weil er an seine eigenen wilden Zeiten mit den Offiziersweibern dachte.
Aber da war auch in jedem fremden Land eine Unschuld von Mädchen, noch nicht so verdorben wie seine früheren Geliebten, das dem Kämpfer Chuckin Lepzin mit dem Aussehen eines russischen Recken die Wärme einer Frau gab, denn er war ja auch bloß ein Mann.

Rainer-Maria Rohloff





Montag, 28. Januar 2013

Die große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde, der Geschichte 6.Teil.
Ort, das Dorf Z. unmittelbar im 500-Meter Schutzstreifen am Nachmittag des siebenden Tages.

Er hatte den großen Bauernhof inspiziert, und er war sehr gründlich dabei. Das dieses hohe Hoftor keinen direkten Einblick auf den großen Dreiseitenhof zuließ, gab ihm eine gewisse Ruhe. Er kam sich vor wie in einer Burg, es fehlten nur noch die Horden vom großen Dschingis-Khan , über den er in seiner Kindheit die Bücher nur so verschlungen hatte und er, der junge russische Krieger Chaim Jahudin bereitete schon einmal in den Sümpfen von Nowgorod die Verteidigung vor. Aber hier waren keine Sümpfe und er wusste nur zu gut, das dies nicht die Lösung seiner Odyssee sein konnte und er dachte an die Worte von seinem Oberst, seines Ausbilders“ Genosse Jahudin, sie Hitzkopf, die besten Befestigungen können auch zur Mausefalle werden, dies haben die Erfahrungen aus der Zeit der Feldzüge des großen Khan klar und deutlich gezeigt“ und wie eine Maus wollte er nicht sterben, dann eher schon im freien Gelände mit dem Schwert in der Hand wie der Recke Kara- Kontschar.
Überhaupt erschien ihm das Dorf sehr ruhig und abgelegen zu sein, und wo er sich befand, darüber war er sich vollkommen im Klaren.
Schon in der gestrigen Nacht, als er vor diesem ersten Zaun von vielleicht zwei Metern Höhe stand und die Signalanlagen, Warnschilder, Spurenstreifen, überhaupt alle diese raffinierten Sperranlagen sah, die wohl nur das Vorspiel für noch etwas hinterhältigeres , so vielleicht Bodenminen waren, da war er sicher, das es nicht einfach werden würde.
Das also war dieses letzte Bollwerk vor diesen amerikanischen Imperialisten? Es kam ihm ein bisschen schwach, eher dürftig vor und er hatte mehr erwartet, zumindest eingegrabene Gefechtsstände, jede Menge Artillerie und Raketenabschussrampen, Panzer aber weit und breit war nichts davon zu sehen, und er beschloss trotz alledem weiterhin auf der Hut zu bleiben. Eine ganze Weile behielt er seine Position am Waldesrand in der Nähe einer Gasse bei, beobachtete eine Kradbesatzung, wie sie sich in ein Meldenetz einstöpselten, was wohl eine Art Verbindung zu einem bestimmten Punkt sein musste, woher sie ihre Befehle empfingen.
Er sah im Licht der spärlichen Beleuchtung die Vorgehensweise dieser deutschen Soldaten, ihre Spuren auf diesem groben Sandstreifen von etwa fünf Metern Breite zu beseitigen, er beobachtete die Befestigung der Signalgeräte, denn nur um solche musste es sich handeln. Er war ihnen so nah, er lauschte sogar ihrer Unterhaltung, aber er verstand nur Bruchstücke, Wortfetzen. Seine ruhige Hand dabei am Messer wartete er wie ein Gejagter auf seine Fänger, aber diese Fänger waren ahnungslos, scherzten miteinander in der Dunkelheit und gaben ihm keinen, nicht einen Grund , von seiner tödlichen Waffe Gebrauch zu machen.
.Dann lief er den Zaun ab, kurz nachdem sie in der Dunkelheit verschwunden waren ganz langsam, er suchte genau die Stelle, wo die Felder getrennt waren und er fand sie, nicht weit von der Gasse entfernt.
Alles andere war ein Kinderspiel, er war ein guter Sportler und seine Kleidung, die kurze Waffe und der eng am Körper anliegende Rucksack, der alles lebensnotwendige Notproviant und mehr enthielt, hinderten ihn nicht daran, den Zaun zu überwinden.
Nur über die Richtung der metallenen Bügel, die den Stacheldraht hielten, die auf der Oberkante der Betonpfähle in das Inland hinein ragten, da wunderte er sich, so als käme der Gegner aus dem Osten aber sie boten ihm einen guten Halt, als er sich mit einem Ruck an ihnen hochgezogen hatte.
Dann sprang er ins Dunkel, in das Walddickicht hinein und das noch rechtzeitig, denn ein Lichtkegel näherte sich schnell aus nördlicher Richtung, der sich als die Kradbesatzung von vorhin herausstellte, aber sie fuhren schnell vorbei.
Beim kleinsten Geräusch ging er heute früh hinter irgendeinem der vielen Gegenstände auf dem weiten Hof in Deckung, dann fand er den Ersatzschlüssel zur Wohnung, die auf der Ostseite lag. Das war ganz einfach, er brauchte nur die halbes Dutzend Blumenkübel neben der Tür ankippen..
Die kleine Wohnung war sehr aufgeräumt und er berührte alles mit seinen Fingern, verspielt, träumerisch, so als fühlte er, was sie, diese junge Frau fühlte, dann durchsuchte er in Ruhe die Schränke und Kommoden, die Küche nach Essbaren, ohne eine Spur zu hinterlassen, wenn er von etwas probieren wollte.
Im Keller fand er Konservengläser und hier half ihm die Vielzahl, sich nach sieben Tagen endlich einmal wieder richtig satt zu essen und er genoss es, so ausgehungert, wie er war.
Dieses breite Bett in ihrem kleinen Schlafzimmer enthielt nur ein Federbett und das Kinderbett stand nicht weit davon, er sah den großen Wecker, dessen leises ticken die Ruhe des Morgens unterbrach.
Im Schrank unter Handtüchern, Bettwäsche und Kleidung lagen jede Menge Seifenstücken mit einem betäubenden Duft, er las „Fa“ auf einer ihrer Verpackungen. Einen solchen Duft hatte er noch nie gerochen. Seine Nase wollte die Seife überhaupt nicht wieder loslassen und eines davon verschwand sofort in seiner Hosentasche.
Dann saß er mitsamt seiner Uniform in der großen Zinkwanne am Aufstieg zu seinem Versteck und über ihm im an einem Balken war eine Gieskanne mit einem Faden befestigt, es war wohl ihre Badestelle und er schrubbte Körper und Uniform, so als wollte er die Spuren der vergangen Tage abwaschen.
Er genoss den Duft der Seife, das kühle Wasser und er beseitigte mit Ruhe die Spuren seiner Badezeit.
Dann lag er nackt im Heu, seine Sachen zum trocknen in der Weite des Dachbodens sorgsam ausgebreitet, diese verdammte Hitze machte ihn schläfrig und die letzten Tage der Flucht verlangten ihren Tribut.
Dem Elitesoldaten Chaim Jahudin wurden die Augenlider schwer und Sekunden später hatte ihn der Schlaf übermannt.

Rainer-Maria Rohloff

Samstag, 26. Januar 2013

Die große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde, der Geschichte 5.Teil.
Ort, eine Lagerhalle im VEB-Spezialhandel, einer Stadt nahe der Garnison O. im Monat Juli 1977.

Der UAZ Geländewagen nahm eine große weite Kurve und hielt am Ende des großen Lagerhallenkomplexes.
Olga Nedkowiza stand eine ganze Weile am Fenster der kleinen Damentoilette und beobachtete das Fahrzeug, aber keiner der Insassen stieg aus. Das geht jetzt schon Tage so, dachte sie“ Frau Gräfin, diese Dina Sokolow hatte wohl Sonderrechte, weil der Herr Gemahl…brauchte wohl nicht mit den anderen Frauen gemeinsam zum frühen Morgen hoch auf dem alten Lastkraftwagen“…zu klettern, da klappte die Wagentüre auf und Olga sah eine Männerhand, die nur die Hand der jungen Frau für einen ganz kurzen Moment festhielt. Es war wie eine intime Geste, eine Berührung, es war nur ein kleiner Moment, aber Olga hatte schon genug gesehen.
„ Also war es doch wahr, was die anderen Frauen so tuschelten“, dachte sie, diese rothaarige Dina hatte ein Verhältnis, ein Verhältnis mit einem der jungen Offiziere ihres Mannes.
Der Wagen startete jetzt und Olga sah den Fahrer, einen hübschen Blondschopf von vielleicht 26 Jahren noch winken, dann war der dunkelgrüne Geländewagen aus ihrem Sichtbereich verschwunden und sie sah Dina frohgelaunt und in ihrem typischen wiegenden Gang den Eingang der großen Halle anstreben.
Da ging die Türe auf und die dunkelhaarige Lalka kam herein. Olga lächelte ihr für einen Moment zu, dann schloss die Tür hinter ihr und sie lief über den langen Gang ganz langsam zum Frauenumkleideraum.
Sie nahm sich vor, ihre jüngere Freundin zur Rede zu stellen, ehe hier noch ein Unglück geschehen würde. Mit Wehmut und Bitternis dachte sie an die Seitensprünge ihres Mannes Oleg und wie oft er sie schon mit diesen jungen Weibsbildern betrogen hatte, so das letzte Mal mit der kleinen Mongolin aus dem Magazin.
Sie wäre nie darauf gekommen, wenn damals diese vielen Bilder, die Bleistiftzeichnungen nicht hinter seiner Staffelei gelegen hätten.
An diesem Vormittag vor einem Jahr kam sie zeitiger von der Arbeit, es ging ihr nicht so gut, und ihr Mann war auf dem Rollfeld zugange, wie immer.
Er war so vernarrt in seine Fliegerei, ihr Oleg, aber noch vernarrter in seine Malerei, denn die große alte Villa, die sie sich mit den Sokolows teilten und die etwas abseits des riesigen Kasernengeländes im Wald lag, sie quoll schon über von den ganzen Zeichnungen, eine wilde Kampfszene reite sich an die andere bis in Höhe der schönen alten Stuckdecken, eine große Luftschlacht löste die Nächste ab, sie sah nur noch trudelnde amerikanische Flugzeuge, am Boden zerstörte Hubschrauber, brennenden Dschungel, lebende menschliche Fackeln, Tote, Lebende, vietnamesische Kämpfer und ihre Gegner, schießende Mi Gs und ihr Oberstleutnant Oleg Nedkowiza wie ein großer Held dazwischen mit seinem Kampfflugzeug aber nie, niemals eine Frau.
Noch nicht einmal sie wollte er malen, als sie ihn in einer sentimentalen Phase darum bat, an dem Tag, wo er aus Afghanistan nach langem Erkundungsflug wieder zurück war. Aber als sie das weiße Handtuch lüftete und zu ihm in die große fürstliche Marmorwanne stieg, da konnte er nicht mehr zurück. Später dann fuhr er mit ihr auf das kilometerlange Rollfeld und malte sie.
Kein Wachposten störte ihre Abgeschiedenheit, diese göttliche Ruhe, das Zirpen der Grillen und die erregende Wärme der Sonne auf ihrer nackten Haut an diesem zeitigen Sonntagmorgen, es wäre ihr auch egal gewesen, denn ihr Oleg, der Fliegerheld und Sieger in unzähligen Luftgefechten hätte ihn sofort wegtreten lassen.
Seine Olga in Öl im Cockpit seiner MiG, deren Düsenaggregat noch warm von dem langen Flug war, er mit der Staffelei auf der Tragfläche stehend und ihr einziges Bekleidungsstück war sein Pilotenhelm. Dann wollte er sie und sie erkannte ihren Oleg gar nicht wieder. So dachte sie dumme Kuh in ihrer Naivität, er liebte wohl nur sie und seinen Beruf?
Und dann das, diese Bleistiftskizzen, sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, die Rada aus dem Sanitätsbataillon im Cockpit seiner silbernen MiG , mit nichts als nichts an und nicht nur diese Rada allein, nein, diese ganzen Hündinnen hatte er auf den Tragflächen, stehend, liegend und in vulgären Posen verewigt.
„Wie er die bloß alle aufs Rollfeld bekommen hatte?“
Sie musste jetzt unwillkürlich laut lachen, und sie schaute sich erschrocken um, aber der lange Gang war menschenleer.
Olga zündete sich eine lange Zigarette an, eine Marlboro, denn dieses amerikanische Zeug war erst gestern gekommen und sie genoss den wunderbaren würzigen Geschmack auf der Zunge, dann trat sie vor die Tür und zog den Zigarettenrauch tief ein.
Sie stellte sich vor, wie er wohl reagieren würde, wenn sie, Olga mit einem anderen Mann zusammen im Bett…und die Vorstellung verursachte ihr sofort Gänsehaut.
Aber ihr gutmütiger Oleg und liebender Vater ihrer Kinder war nicht dieser gut aussehende Vadim Sokolow, dieser geheimnisvolle große braungebrannte Mann, der sie jedes Mal schwach in den Beinen werden ließ, wenn er in ihre Nähe kam, wenn sie sich im Treppenhaus begegneten. Diesen Mann umgab ein Geheimnis, das ihr ein Kribbeln verursachte, wie sie es bei ihrem Oleg schon lange nicht mehr gespürt hatte und sie verstand die Dina nicht, ihre junge Ehe so aufs Spiel zu setzen.
Olga Nedkowitza aus einem kleinen Dorf bei Kiew, schon zehn Jahre in der sowjetischen Garnison O. wohnhaft, Mutter von zwei Kindern und Ehefrau des Fliegerhelden Oberstleutnant Oleg Nedkowitza beschloss, so lange mit dem Rauchen aufzuhören, bis diese unheilvolle Sache mit ihrer jungen Freundin aus der Welt geschafft war.
Und so trat sie die amerikanische Zigarette aus, zerrieb sie mit ihren Pumps auf dem grauen Betonboden.

Rainer-Maria Rohloff

Mittwoch, 23. Januar 2013

Die große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde, der Geschichte 4. Teil
Ort, die sowjetische Garnison in O., am Morgen des siebenden Tages.

Die Männer hatten ihn umringt. Sie standen nur da und sprachen kein Wort.
Er sah finstere bärtige Gesichter und er sah Sorge, Zorn, Fragen, Ablehnung, Wut, Hass in ihren Blicken. Die Mündungen ihrer automatischen Waffen waren auf ihn gerichtet, unheilvoll aber er verspürte keine Angst.
Einer von ihnen hielt ein Kind in seinem Arm, und er, Vadim konnte nicht erkennen, ob es ein Junge oder Mädchen war, denn es war in weißes Leinen verhüllt und sein Kopf hing nach unten, das konnte er sehen, so als wäre es gestorben
Da teilte sich die Gruppe langsam, wie in Zeitlupe zu einem Spalier und aus seinem Zimmer wurde ein riesengroßer Hangar (Flugzeughalle), und er sah einen ASU 57, einen Luftlandepanzer der älteren Bauart genau in seiner Mitte stehen.
Auf ihm saßen seine Männer, die ganze Gruppe wie zum Gefecht bereit und zwischen ihnen saß Natascha, in einem blütendweißen Kleid, das Kanonenrohr zwischen den Beinen, die schmalen langen Finger umfassten den kalten Stahl wie einen Phallus und der Motor des Panzers lief auf Höchstdrehzahl, seine Auspuffwolken hüllten den ganzen Hangar ein und er fühlte sich so leicht, wie als wurde er getragen, in seinem Stuhl, ja, jetzt konnte er es sehen, da waren rechts der bärenstarke aber gutmütige Chuckin Lepzin und links Chaim Jahudin, der Jude, und Stolz war in ihren Blicken ob ihres Oberstleutnant, denn sie trugen ihn wie einen König aber er war ein Kind, ein Junge von vielleicht sechzehn Jahren.
So wie er an sich herunter sah, trug er die Uniform der Komsomolzen, des kommunistischen Jugendverbandes der Sowjetunion, und er saß aufrecht und stolz, so als ginge es zu einer ehrenvollen und verdienten Auszeichnung.
Mit einem Schlag erstarb das Motorengebrüll und er hörte die helle erregende Stimme von seiner Natascha, die ihm zurief:“ Lass uns tanzen, Vadim, für uns, für unsere Jugendliebe“ und sie sprang vom Panzer und Musik hub an, denn auf einmal hatten die Bärtigen Männer statt ihrer Kalaschnikows Instrumente in den Händen und Natascha, seine Ballerina wirbelte dazwischen wie ein Wind, wie ein Steppenwind.
Da bildeten sie alle einen Kreis und er schritt auf sie zu, verbeugte sich tief, und wie er ihre Hand ergriff, da wart er ein Mann, ein schöner Mann in seiner goldbetressten Uniform und im rhythmischen Klang der Musik, der Balalaikas und dem Stampfen der Stiefel der Männer vergaß er alles um sich herum und aus den vielen Drehungen mit Natascha wurde auf einmal finstere Nacht, die Musik erlosch, nur Pfeifen von Wind war in seinen Ohren und weit unter sich, in der finsteren Nacht blinkte wie ein Landefeuer der Punkt, wo seine Gruppe das sichere Ziel erreichen sollte.
Er trug Natascha in seinem Arm, eingehüllt in weißes Leinentuch so wie das Kind im Arme des Bärtigen, weiß wie ein Totentuch und er hielt sie fest an sich gepresst doch sie war schwer, viel zu schwer für den Fallschirm und für ihn und ihr Kopf hing so leblos herab wie der des Kindes.
Da krampfte die Angst sein Herz zusammen und er wollte schreien aber er konnte es nicht.
Er sah die Abschüsse des Gegners, Leuchtspurgeschosse aus dem Gebirgsmassiv zu seiner rechten schwirrten vorbei doch die Thermik trug in davon weg, weit, weit weg und auch den Zielpunkt sah er nicht mehr, nur Finsternis hüllte ihn noch ein.
Licht flammte urplötzlich auf, es waren die Lichter des Luftlandepanzer von vorhin, dieser schwebte neben ihm in gleicher Höhe an drei riesigen Lastenfallschirmen und auf ihm stand wie ein junger Gott der Elitekämpfer Chaim Jahudin, Bester seiner Einheit und er war stolz auf den Jungen mit den Augen eines Adlers und den Krallen eines Schneeleoparden, denn er war Einer von denen, die Intelligenz mit Kraft und Ausdauer vereinten, der nie aufgab und das war sein Werk, das war seine harte Schule, durch die diese Jungen gehen mussten.
So erwuchs aus seiner Angst um Natascha Stolz, der ihm wieder die alte Kraft verlieh, doch dieser verdammte jüdische Hurensohn schrie ihm jetzt zu“ Sie ist doch schon lange gegangen, ihre Natascha, merken Sie es denn nicht….?... so lassen Sie doch los, Genosse Oberst, verdammt noch mal, lassen Sie doch los, denn sie wird auch Sie töten und wir alle werden dadurch sterben!“
Da kam der kleine Panzer ins Trudeln, langsam drehte er sich um seine eigen Achse, die Spitze des Kanonenrohr kam ihm bedrohlich nahe, streifte ihn fast und immer schneller rotierte der dunkle Stahl in der Dunkelheit und er sah, wie dieser Haudegen mit einer wilden Entschlossenheit sprang, wie er sie von sich kannte, als er noch ein junger Soldat war und im Sprung riss dieser ihm Natascha aus den Armen und verschwand in der Dunkelheit, ein weißer Schleier der zu einem Punkt verschmolz, dann nach einer ganzen Weile gänzlich verschwand und er, Vadim war allein.
Nein, allein war er nicht, da war ein Gesicht vor ihm, das den eines Usbeken ähnlich sah und etwas schüttelte ihn ganz vorsichtig.
Der Oberstleutnant Vadim Sokolow war wach und der junge Usbeke mit dem ängstlichen Gesicht nahm Haltung an: „ Befehl vom Stab, ein Vorfall auf dem Rollfeld verlange sein sofortiges Erscheinen“.

Rainer-Maria


Montag, 21. Januar 2013

Die Große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde Teil 3

 Vadim Sokolow stand am Fenster und blickte auf das weite Rollfeld in vielleicht dreihundert Meter Entfernung. Wie Perlen an einer Schnur standen die Kampfhubschrauber, auch die seiner kleinen Eliteeinheit, seiner Fallschirmjägertruppe, wie Perlen die langen Reihen der MiG-21 Jagdflugzeuge. Das Licht der frühen Morgensonne spiegelte sich auf ihren Tragflächen und die Rotorblätter der Jak 24, der Mi-8, der großen Transporthubschrauber berührten mit ihren Spitzen, so schien es die Rollbahn.
Ab und an starteten und landeten Maschinen, aber der Fluglärm hielt sich hier im Zimmer in erträglichen Grenzen.
„ Was war nur aus ihm geworden, wie konnte es nur soweit kommen?“
„ Wie konnte ein Mann wie er, Bester seines Jahrgangs, Träger etlicher Auszeichnungen und Ordenspangen, Held der Sowjetunion so tief sinken?
„ Wo war seine Vorbildwirkung gegenüber den Männern hin, hatte er mit dem verdammten Fusel alle guten Vorsätze seiner Offizierslaufbahn die Wolga heruntergespült?“
Vorhin, als der Oberst noch im Zimmer war, musste er sich mit aller Kraft zusammennehmen, Haltung bewahren aber jetzt sank er müde und innerlich wie leer auf den Stuhl hinter ihm, seine zitternde Hand ging zum Fach des alten großen Eichentisch und fasste die Flasche Wodka.
Dann setze er an und nahm einen langen Schluck, er ließ sich Zeit, er genoss es und leerte die angebrochene Flasche mit einem Zug.
Nach einer ganzen Weile hielt er die Hand waagerecht und siehe, sein Zittern hatte aufgehört. Er rief nach dem Posten auf der Etage und schickte ihn zum Proviantmeister.
Der junge Usbeke, stand unentschlossen in der Tür, denn nach Schnaps hatte ihn noch keiner geschickt, aber der Tonfall in der Stimme von diesem Oberstleutnant ließ nichts Gutes ahnen und so trabte er im Laufschritt los.
„ War es die Sauferei, die ihn von Dina so entfremdet hatte?“
„ Waren es die langen Abende mit den Offizierskameraden in der gemütlichen Bar, die der Tischler Chuckin Lepzin , ein Mann seiner Einheit in seinen freien Stunden eingerichtet hatte?“
„ Gut, sie war jung, sie war wild, seine Dina und die Mutter, hatte sie ihn nicht gewarnt, damals nach dem Tod von Natascha, seiner ersten Frau?“
„ Das wird nicht gut gehen, mein Junge“, so meinte sie leise bei seinem letzten Urlaub, sein altes Mütterchen.
„ Eine Frau wie Dina passt nicht in eine Kaserne, sie ist wie ein junges Wildpferd, sperrst du es ein wird es die erstbeste Gelegenheit zur Flucht nutzen“, murmelte der Vater noch.
„ Nimm sie an das Kumt ( Geschirr), lege ihr das Sielen( Brustblatt) gut an, Söhnchen“, gab er ihm noch den guten Rat, als die Mutter mit Dina schon vorgegangen war, aber das war leichter gesagt als getan und wie der Alte, dieses Schlitzohr das noch genauer erläutern wollte, stand auf einmal die Mutter da, und er verstummte unter dem strengen Blick seiner Ehehälfte.
Und Dina hatte ihre Vorstellungen, sie wollte nicht in der Garnison herumsitzen, die große alte heruntergekommene Villa in Ordnung halten, sie wollte arbeiten, in diesem Spezialhandel, der in der nächstem Stadt in großen Hallen untergebracht war.
Die Magazine (größere Läden) der Garnisonen im Kreis bezogen alle notwendigen Waren, Lebensmittel von dort, und viele Frauen der Offiziere suchten und fanden in ihnen Beschäftigung.
Diese Idee hatte seiner Frau die Olga eingepflanzt, diese hässliche blonde Pflanze, dieses Kulakenbalg aus irgend einer Kuhkolchose in der Ukraine. Dort war sowieso die Zeit stehen geblieben, seit Väterchen Stalin in den dreißiger Jahren mit der Kollektivierung der Landwirtschaft und nach der Devise Neuland unterm Pflug für Ordnung gesorgt hatte.
Es klopfte leise und schüchtern und das ängstliche Gesicht des jungen Usbeken erschien im Türrahmen, der ihm zwei Flaschen reichte.
In einer Anwandlung von Mitleid drückte ihm Vadim eine Packung Machorka in die Hand und das dankbare erstaunte Gesicht entschwand so schnell, wie es erschienen war.
Der Wodka verstärkte jetzt seine innere Ruhe, die Wunde schmerzte nicht mehr und er lehnte sich in dem großen breiten Lehnstuhl zurück, legte die Stiefel auf den schweren Tisch, schloss die Augen und dachte an Afghanistan, dieses ferne schöne Land, er dachte an den Tag vor vier Monaten, als er zum ersten Mal mit seiner kleinen Eliteeinheit in der Nähe von K. abgesprungen war.
Damals, in dieser Nacht im Mai hatte ihm dieser Chaim Jahudin das Leben gerettet, dieser gottverdammte fahnenflüchtige Jude, und er bekreuzigte sich sogleich bei diesem Gedanken der Sünde, dieser junge Hurensohn, der ihm Hörner aufgesetzt hatte, er schuldete ihm ein Leben, sein Leben.
„Ausgerechnet einem Juden“, dachte der Russe Vadim Sokolow, dann schlief er ein.

Rainer-Maria Rohloff






Sonntag, 20. Januar 2013

Die Große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde Teil 2

Das Milchgesicht saß auf seinem breiten Brustkorb, wie ein großer Schatten in der Dunkelheit. Das Streichholz in seiner Hand flammte auf und beleuchtete sein junges Gesicht, das überlegen zu lächeln schien, sein Mund formte Worte aber so sehr er, Chaim Jahutin sich auch anstrengte, er verstand diese nicht.
Er wollte mit der Hand zum Messer an der rechten Wade fingern, aber er bekam den Arm nicht frei aus dieser festen Klammer, die ihn wie einen eisernen Reifen zu umspannen schien.
So sehr er sich auch anstrengte, er schaffte es nicht und die Anstrengung trieb ihm die Tränen in die Augen, so das alles um ihn herum verschwamm, er schloss die Augen und wie er sie wieder öffnete, war das Milchgesicht verschwunden, und diese rothaarige Russin Dina saß auf ihm.
Sie hatte die Uniformjacke ihres Mannes, dieses Oberstleutnant Sokolow an und die Vielzahl der Ordensspangen blitzten in der Dunkelheit. So wollte er sie, seine Geliebte, so wandelbar in ihrer Lust, so erfinderisch, so stolz in ihrer Schönheit, so Besitz ergreifend und sie bekam, was sie wollte, das hatte er die letzten Wochen immer und immer wieder am eigenen Leibe mit Lust zu spüren bekommen und er genoss es, so jung wie er war, wie ein junger saftiger kräftiger Baum, dessen Rinde man einritzte und sein Harz quoll hervor, und Keiner, nicht Einer konnte es stoppen.
Jetzt warf sie die Mütze mit einem Ruck in die Dunkelheit des Dachbodens und schüttelte ihr langes rotes Haar über ihn und auf einmal waren seine Hände frei, er spürte tastend die feine zarte Haut ihrer nackten festen Schenkel, ihre schmalen langen Finger fummelten am Gürtel seines Drillich und er zog das Messer aus dem Halfter und trennte wie in wilder erregender Hast Knopf für Knopf mit der scharfen Klinge.
Er wollte sie fühlen, ihre vollen Rundungen, die sich unter der weiten Jacke abzeichneten fühlen, seine kräftigen großen Hände tasten sich langsam an ihrer Hüfte nach oben und sie schien es zu genießen, stöhnte leise und ihr Zähne leuchteten weiß aber auf einmal war da das kleine Mädchen, wie ein Zwerg in der übergroßen Jacke und Mütze, die Hand am Mützenschirm wie zum Gruß erhoben, wie ein junger Pionier und er stieß sie von sich, aber sie war wie eine Klette und schrie, kratzte, biss und klammerte sich an ihn.
Ihre kleinen festen Hände fassten nach dem großen Messer mit dem Sägeschliff auf der langen Klinge, ihre Kraft schien übermenschlich und sie bog die Klinge in seine Richtung und setzte sie auf seine Brust, so das er die Spitze schmerzhaft zu fühlen begann.
Da war ein schrilles Klingeln, was aus der Ferne zu kommen schien und er horchte zusammen mit ihr wie um eine letzte Frist, die sie ihm zu geben schien, und in ihren Augen war ein Lächeln, so unschuldig, wie es nur ein Kind haben konnte.
Dann stieß sie zu, mit aller Kraft und er war mit einem Schrei wach, schweißgebadet, fasste nach seinem Kampfmesser aber es war noch an seinem alten Platz.
Der Tag hatte begonnen, die Strahlen der Sonne begannen das Dachgeschoß langsam zu erwärmen und wenig später kurvte die junge Frau mit dem Kind vom großen Dreiseitenhof.
Chaim Jahudin, der Jude und Bürger der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, der fahnenflüchtige Sowjetsoldat, seit mehr als sieben Tagen von seiner Garnison in O. abgängig, seit mehr als sieben Tagen auf der Flucht vor seinen Jägern beschloss, den Vormittag zu nutzen, um das große weiträumige Grundstück zu erkunden.

Ort, die sowjetische Garnison in O, am Morgen des siebenden Tages.
„ Wo könnte Ihr bester Mann jetzt sein, Genosse Sokolow?“
Der, der dies fragte sah den großen Mann aufmerksam an, der am Fenster stand, der ihm den Rücken zukehrte, so dass er dessen Mienenspiel nicht sehen konnte.
„ Ich denke, er will in die Heimat, seine Spur verloren wir an dieser Bahnstrecke in S.“
„ Er könnte schon bei Brest sein und die zuständigen Stellen an seinem Ort sind informiert“.
„ Wir haben alle Zeit der Welt, Genosse Kandow, er kann sich nicht ewig verstecken“.
Der große Mann drehte sich jetzt um und der Fragensteller sah, wie er sich an die Seite fasste und schmerzhaft das Gesicht verzog.
„ Bereitet Ihnen die Wunde noch Probleme, mein Freund, ich kann Sie ablösen lassen und ein wenig Ruhe könnte Ihnen gut tun?“
„ Nein“, Sokolow schüttelte den Kopf, ich muss mich um meine Frau kümmern, Dina ist wie ein Wildpferd, unberechenbar.
Kandow lächelte vor sich hin, nahm seine Mütze, dann erhob er sich , er straffte den Uniformrock und der Andere nahm Haltung an.
„ Genosse Oberst“, er salutierte.
„ Stehen Sie bequem“, dann fiel die Tür hinter dem Oberst ins Schloss.

Rainer-Maria Rohloff

Samstag, 19. Januar 2013

Die Große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde Teil 1

Der Soldat saß einfach nur da, angelehnt an einen Stützbalken der den Giebel des Heubodens trug, er hatte die Beine lang ausgestreckt, die Maschinenpistole auf seinen Knien und streichelte den kühlen Stahl während sein Blick langsam die Dunkelheit des riesigen Dachbodens zu durchdringen schien.
Die Hitze des Augusttages im Jahr 1977 trieb ihm die Schweißperlen auf die Stirn und er wischte mit dem Ärmel seines Kampfanzuges darüber. Sie drückte wie eine Glocke, wie eine Last, und so war er froh hier zu sitzen, entspannt, leicht, so als wäre Tage vorher nie etwas Anderes geschehen.
„ Das kleine Mädchen hatte ihn gestern gesehen“, da war er sich sicher, sie hatte ihn gesehen.
„ Aber sie war noch ein Kind von vielleicht drei Jahren und Kinder erfinden auch Geschichten“, dachte er so bei sich.
„ Ob sie noch ältere Geschwister hatte und ob Sie ihn hier vermuten würden, seine Jäger, so weit westlich?“ Nein, dazu hatte er seine Spur zu gut verwischt und dieser Gedanke gab ihm jetzt eine gewisse Ruhe.
Er nahm eines der Eier, die neben ihm auf dem Boden lagen, schlug dessen Enden an der Waffe auf und trank es langsam schlürfend aus.
„ An Hunger würde er hier bestimmt nicht sterben, in diesem Dorf so nahe an der Grenze, auch nicht an Durst“, dazu hatte man ihn damals in den Bergen des Hindukusch zu gut auf das Überleben trainiert.
„ Denn das Wasser für die Katze stellte diese junge Frau, wohl die Mutter des Mädchens jeden Morgen frisch an den Aufstieg, der zu ihm nach oben führte“.
„ Sie war sehr hübsch, diese junge Frau so hübsch wie seine Irina“.
„ Wie lange war das jetzt her, und ob sie überhaupt noch an ihn dachte?“ wie unbewusst zerkrümelte er jetzt die Schale des Ei zwischen seinen kräftigen Händen, dann schob er die Hand unter das Heu in seinem Rücken. Nur keine Spuren hinterlassen, er dachte sofort wieder klarer.
Er hatte sie beobachtet, diese junge Frau seit gestern Morgen. Ihr Tag fing sehr früh an, fast so wie bei ihm in der Kaserne.
Punkt 5.00Uhr klingelte ein lauter Wecker, den hörte er bis zu sich hier oben, denn sie schlief wohl bei offenen Fenster, dann waren vertraute Geräusche im Haus, eine ganze Weile, wie er sie von Zuhause aus kannte.
Zehn Minuten vor 6.00 Uhr kam sie in die Scheune, mit einer Lederjacke, die ihn an die Kommisare der roten Armee erinnerte und schob das Moped auf den inneren Hof, der den großen Dreiseitenhof umgab. Das kleine Mädchen auf dem Kindersitz verließ sie das Anwesen in flotter Fahrt, um gegen 16.30Uhr wieder herein zu kurven.
Irgendwo raschelte es jetzt unter ihm und er fasste die Waffe am Abzugshebel und lauschte in die Dunkelheit, aber es waren wohl nur die große Anzahl Hühner, die sich einen Platz für die Nacht suchten, und sein Griff entspannte sich langsam wieder.
In der Ferne erklang Motorengeräusch, kam rasch näher und er kroch auf allen Vieren zu dem Fenster, das wie ein Entenauge auf der Nordseite des Heubodens in das große Dach eingefasst war.
Plötzlich hörte er seinen Herzschlag, laut wie einen Hammer, der auf einen Amboss schlug und er zwang sich zur Ruhe, während sein Blick den Lastkraftwagen erfasste, der mit abgeblendeten Scheinwerfern in dem Licht der Straßenlaterne langsam näher kam, dann mit einem groben Ruck hielt.
Die Ladeklappe fiel mit lautem Poltern nach unten, und zwei Soldaten mit allerhand Zeug am Tragegeschirr, was ihre Körper wie ein Korsett einfasste, sprangen auf den harten Betonplattenweg, der an dem Gehöft in vielleicht dreißig Metern vorbei führte. Kurze knappe Worte wechselten mit Stimmen auf der Pritsche, dann wurde die Klappe geschlossen und das Fahrzeug setzte sich wieder in Bewegung, und verschwand in der Dunkelheit
Er schaute jetzt auf seine Uhr, deren grünes Leuchtzifferblatt in der Dunkelheit ganz gut zu erkennen war.
„ Wachablösung“, so hieß das wohl bei Ihnen und wie gestern fast auf die Minute genau.
„ Also wenn diese Deutschen etwas können, dann pünktlich sein“, das hatte sein alter Vater immer gesagt, wenn er vom großen vaterländischen Krieg erzählte.
Er musste unwillkürlich lächeln und Einer der Beiden, der Größere zündete sich jetzt eine Zigarette an und blickte aufmerksam in seine Richtung. Das Licht des Streichholz zeigte ein junges Gesicht von vielleicht achtzehn Jahren und der Soldat am Entenauge zuckte jetzt zurück in die Dunkelheit.
Aber dieser Junge hatte ihn nicht gesehen, schulterte jetzt seine Waffe und die beiden Posten setzen sich langsam in Bewegung. Schon nach einer Minute bereits hatte Sie die Dunkelheit verschluckt, und er schlich zu seiner Ausgangsposition zurück.

Rainer-Maria Rohloff