Sonntag, 20. Januar 2013

Die Große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde Teil 2

Das Milchgesicht saß auf seinem breiten Brustkorb, wie ein großer Schatten in der Dunkelheit. Das Streichholz in seiner Hand flammte auf und beleuchtete sein junges Gesicht, das überlegen zu lächeln schien, sein Mund formte Worte aber so sehr er, Chaim Jahutin sich auch anstrengte, er verstand diese nicht.
Er wollte mit der Hand zum Messer an der rechten Wade fingern, aber er bekam den Arm nicht frei aus dieser festen Klammer, die ihn wie einen eisernen Reifen zu umspannen schien.
So sehr er sich auch anstrengte, er schaffte es nicht und die Anstrengung trieb ihm die Tränen in die Augen, so das alles um ihn herum verschwamm, er schloss die Augen und wie er sie wieder öffnete, war das Milchgesicht verschwunden, und diese rothaarige Russin Dina saß auf ihm.
Sie hatte die Uniformjacke ihres Mannes, dieses Oberstleutnant Sokolow an und die Vielzahl der Ordensspangen blitzten in der Dunkelheit. So wollte er sie, seine Geliebte, so wandelbar in ihrer Lust, so erfinderisch, so stolz in ihrer Schönheit, so Besitz ergreifend und sie bekam, was sie wollte, das hatte er die letzten Wochen immer und immer wieder am eigenen Leibe mit Lust zu spüren bekommen und er genoss es, so jung wie er war, wie ein junger saftiger kräftiger Baum, dessen Rinde man einritzte und sein Harz quoll hervor, und Keiner, nicht Einer konnte es stoppen.
Jetzt warf sie die Mütze mit einem Ruck in die Dunkelheit des Dachbodens und schüttelte ihr langes rotes Haar über ihn und auf einmal waren seine Hände frei, er spürte tastend die feine zarte Haut ihrer nackten festen Schenkel, ihre schmalen langen Finger fummelten am Gürtel seines Drillich und er zog das Messer aus dem Halfter und trennte wie in wilder erregender Hast Knopf für Knopf mit der scharfen Klinge.
Er wollte sie fühlen, ihre vollen Rundungen, die sich unter der weiten Jacke abzeichneten fühlen, seine kräftigen großen Hände tasten sich langsam an ihrer Hüfte nach oben und sie schien es zu genießen, stöhnte leise und ihr Zähne leuchteten weiß aber auf einmal war da das kleine Mädchen, wie ein Zwerg in der übergroßen Jacke und Mütze, die Hand am Mützenschirm wie zum Gruß erhoben, wie ein junger Pionier und er stieß sie von sich, aber sie war wie eine Klette und schrie, kratzte, biss und klammerte sich an ihn.
Ihre kleinen festen Hände fassten nach dem großen Messer mit dem Sägeschliff auf der langen Klinge, ihre Kraft schien übermenschlich und sie bog die Klinge in seine Richtung und setzte sie auf seine Brust, so das er die Spitze schmerzhaft zu fühlen begann.
Da war ein schrilles Klingeln, was aus der Ferne zu kommen schien und er horchte zusammen mit ihr wie um eine letzte Frist, die sie ihm zu geben schien, und in ihren Augen war ein Lächeln, so unschuldig, wie es nur ein Kind haben konnte.
Dann stieß sie zu, mit aller Kraft und er war mit einem Schrei wach, schweißgebadet, fasste nach seinem Kampfmesser aber es war noch an seinem alten Platz.
Der Tag hatte begonnen, die Strahlen der Sonne begannen das Dachgeschoß langsam zu erwärmen und wenig später kurvte die junge Frau mit dem Kind vom großen Dreiseitenhof.
Chaim Jahudin, der Jude und Bürger der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, der fahnenflüchtige Sowjetsoldat, seit mehr als sieben Tagen von seiner Garnison in O. abgängig, seit mehr als sieben Tagen auf der Flucht vor seinen Jägern beschloss, den Vormittag zu nutzen, um das große weiträumige Grundstück zu erkunden.

Ort, die sowjetische Garnison in O, am Morgen des siebenden Tages.
„ Wo könnte Ihr bester Mann jetzt sein, Genosse Sokolow?“
Der, der dies fragte sah den großen Mann aufmerksam an, der am Fenster stand, der ihm den Rücken zukehrte, so dass er dessen Mienenspiel nicht sehen konnte.
„ Ich denke, er will in die Heimat, seine Spur verloren wir an dieser Bahnstrecke in S.“
„ Er könnte schon bei Brest sein und die zuständigen Stellen an seinem Ort sind informiert“.
„ Wir haben alle Zeit der Welt, Genosse Kandow, er kann sich nicht ewig verstecken“.
Der große Mann drehte sich jetzt um und der Fragensteller sah, wie er sich an die Seite fasste und schmerzhaft das Gesicht verzog.
„ Bereitet Ihnen die Wunde noch Probleme, mein Freund, ich kann Sie ablösen lassen und ein wenig Ruhe könnte Ihnen gut tun?“
„ Nein“, Sokolow schüttelte den Kopf, ich muss mich um meine Frau kümmern, Dina ist wie ein Wildpferd, unberechenbar.
Kandow lächelte vor sich hin, nahm seine Mütze, dann erhob er sich , er straffte den Uniformrock und der Andere nahm Haltung an.
„ Genosse Oberst“, er salutierte.
„ Stehen Sie bequem“, dann fiel die Tür hinter dem Oberst ins Schloss.

Rainer-Maria Rohloff

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