Die große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde, der Geschichte 13.Teil, Ort, das Dorf Zweedorf unmittelbar im 500-Meter Schutzstreifen am Morgen des 9.Tages.
Susanne Baumann hatte nicht geschlafen. Sie stand vor der Kaffeemaschine und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Der
Soldat stand hinter ihr an den Türrahmen gelehnt und beobachtete sie
und er war sich nicht sicher, ob diese junge Frau seine Bemühungen, ihr die ganze, seine verdammte Situation zu erklären, überhaupt begriffen hatte.
Er hatte gezeichnet, wunderschön gezeichnet gestern Abend im Dämmerlicht der
Dachbodenbeleuchtung auf Maries großen Schulzeichenblock. Anfangs
verstand sie nichts, überhaupt nichts, hatte sogar Angst, das er ihr
etwas antun könnte, aber diese Ruhe in seinen Versuchen, sich zu erklären, flösste ihr irgendwie Vertrauen ein.
Sie
sah eine rothaarige Frau und einen blonden Mann, das sollte wohl er
sein und er malte ein Herz darüber, dann war da einer mit einer Pistole
und den strich er durch, er hatte ihn wohl getötet mit einem Messer, an
das er rote Tropfen mit Maries Buntstiften malte, das große
Messer, was er in einer Art Lederhalterung an seine Wade geschnallt
hatte, als sie ihn beim anziehen seiner Sachen aus den Augenwinkeln
beobachtet hatte,
Ihr Schulrussisch half ihr anfangs nicht weiter und er war wohl in derselben Situation, deswegen kam er auf diese Art der
Verständigung und das konnte er wirklich gut, er lachte oft und
gestikulierte, wenn er nicht gerade zeichnete und sie hatte das Gefühl,
trotz seiner schlimmen Situation hatte er den Mut noch nicht verloren,
irgendwie wieder da raus zu kommen.
Sie sah Männer an Fallschirmen und Panzer an noch größeren Schirmen und er schien wohl zu einer Art Luftlandeeinheit zu gehören, doch soviel er auch zeichnete, da war auf einmal eine Angst in ihr, die er nicht mit ihr teilte. Sie hörte wie damals die Stimme ihres Vaters, der eines Abends sagte:“ Der
Russe ist tot, von seinen eigenen Leuten bei Horst…“und er schien wohl
das letzte Wort nur anzudeuten und sie war noch ein Kind als er an
diesem kalten Wintertag vor vielen , vielen Jahren im Flur mit ihrer
Mutter sich leise unterhielt..
Damals konnte sie noch nicht richtig
einordnen, was er damit überhaupt meinte, erst später, als sie ihn
einmal danach mit ihren Fragen löcherte , erzählte er ihr die ganze Geschichte.
Es war eine sehr traurige Geschichte, „der Alptraum eines jeden Grenzsoldaten“, so meinte er an ihrem Schluss, die nicht wie ein Märchen endete.
An diesen Tagen kam er immer spät nach Hause und seine Uniform an der Garderobe war schmutzig und die Angst ihrer Mutter damals, die sie irgendwie spürte, als Kind spürte, wenn sie sie ins Bett brachte, war ihre Angst jetzt.
Aber
ihr Vater konnte hier nicht helfen, war schon lange nicht mehr Soldat,
seit er diesen schweren Unfall im Grenzgebiet, dem Elbvorland bei
Gothman hatte, bei dem er eine Hand verlor, und das alles verdankte er“
einer weggeschwemmten Schuhcremdose,“ so hörte sie einmal die
Mutter sagen. So dachte sie immer als Kind, das Schuhcremdosen etwas
besonders gefährliches seien, und machte um den kleinen Schrank im Flur
stets einen großen Bogen, nichts ahnend, das damit eine Bodenmine der älteren Bauart scherzhaft von den Pionieren bezeichnet wurde, die
damals ihrem Vater in seinem Kommandobereich unterstanden. Denn sie
würden ihn finden, „wir haben bis jetzt jeden gefunden,“ so wieder die Worte ihres Vaters und irgendwie tat er ihr jetzt leid….da schrillte der Wecker um seine gnadenlose immer die gleiche Zeit zum frühen Morgen und sie löste sich aus ihren Gedanken, drehte sich herum und lächelte ihm freundlich zu, bat ihn dann an den kleinen Küchentisch und er nahm ganz vorsichtig Platz.
Im fernen Berlin, im Ostteil der
Stadt saßen sich ebenfalls um diese Zeit und leicht übernächtigt zwei
Männer gegenüber. In dem Gelände, worin sich ihr Büro befand, sah es so
richtig schön architektonisch Deutsch aus. Es musste wohl Alles so weit
vor 1945 errichtet worden sein.
Der Eine sah den Anderen an, und meinte“ unser Quelle hat gesprudelt“. Da sagte der
Andere“ davon weiß ich schon, denn auch unsere Quellen sprudeln
täglich,“…. auf einmal mussten sie alle Beide lachen So tauschte man
sich über die Quellen aus und es entstand
noch kein so richtiges schlüssiges Bild, denn eine dritte Quelle wollte
nicht so richtig sprudeln, mit ihren Informationen, um die man sie gebeten hatte, über den Tisch kommen.
Dieser Dritte hieß Oberst Kandow aus der
sowjetischen Garnison in O. und er konnte seine deutschen Freunde nicht
so richtig leiden, nein, nicht das er ihnen misstraute aber da war so
etwas in ihm, das stammte noch aus einer Zeit, als sein Großvater als
Partisan mit dem Gewehr in der Hand für eine Sache gekämpft hatte, und die Sache im Ganzen, die hieß“ Der Große Vaterländische Krieg“.
„ Diese Russen sind stur, wenn sie nicht wollen, dann wollen sie nicht“ meinte wieder der Eine, doch der
Andere sagte“ Man muss das auch verstehen, denn unsere Großväter und
Väter wollten sie ja einmal mit ihren Granaten vom alten Krupp in die
Steinzeit zurückbomben“ und“ So etwas legt man nicht über ein paar
Jahrzehnte ab, nur weil sie auf einmal unsere Freunde geworden sind“.
„ Verstehe ich sie richtig, meinte der Jüngere von Beiden, dass die Sowjets, also das sie uns immer noch misstrauen?“
„Ja,
Genosse Wolzow, das denke ich, aber es tut unserer Freundschaft keinen
Abbruch“ und damit lehnte sich Alfred Bergemann gemütlich im Sessel
zurück.
Einen Cognak, gefällig, mein junger Freund…und Wolzow stammelte“ doch nicht schon am…Morgen.
Ach was, der bringt uns nicht um, meinte Alfred Bergemann und kurz darauf stieß Glas an Glas mit einem satten Klang.
Darf
ich ihnen einmal ein Kompliment machen, Oberst sagte Gisbert Wolzow
nach drei Gläsern feinstem französischen Weinbrand: „ Ihre Uniform sitzt
wirklich sehr gut“.
„Ich wusste noch nicht, dass sie ein Freund von Uniformen sind“, meinte der Oberst, also Prost, auf die deutsch-sowjetische Freundschaft, mein junger Freund.
Rainer-Maria Rohloff
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen