Montag, 11. Februar 2013

Die große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde, der Geschichte 11.Teil, Ort, die sowjetische Garnison in O. in der Nacht des siebenden Tages.

Dina Sokolow lag schon eine ganze Weile wach. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte kurz vor Mitternacht und Vadim war von einer seiner Besäufnisse noch nicht zurück. Die junge Frau dachte zurück, zurück an diesen Tag, als Vadim vom dritten längeren Sondereinsatz aus diesem fernen unbekannten Land Afghanistan zurückgekehrt war.
Voller Freude stand er am frühen Sonntagmorgen in der Tür, seinem Gesicht waren die Anstrengungen und Erlebnisse noch anzusehen, aber er war wie ausgewechselt und er nahm sie in den Arm und sie liebten sich, obwohl ihre Liebe schon längst erloschen, ja eigentlich erkaltet war und sie ließ es doch geschehen. Er war wie ein großer Junge, so ungestüm, so heftig und all seine verdammten Schwächen schienen vergessen, so dachte sie an diesem sonnigen Vormittag, so dumm, so naiv wie sie war
Ein junger Offizier seiner kleinen Einheit brachte gegen Mittag Vadims Sachen und irgendwie hatte sie das Gefühl, das dieser Blondschopf sie mit einem Blick musterte, der ihr überhaupt nicht unangenehm war. Aber suchte sie anschließend seinen Blick, weil es ihr irgendwie Spaß machte, ihn in Verlegenheit zu bringen, so wich er geschickt aus, tat so, als betrachtete er ihre Einrichtungsgegenstände und die schönen Stuckdecken der hohen Räume in der alten Villa. Er sah verdammt gut aus und sein durchtrainierter Körper zeichnete sich unter der Uniform ab, er hatte ausgesprochen feine Manieren, schöne blaue Augen und kräftige Hände und es kam ihr so vor, als hätte Vadim ihn am liebsten zum Mittagessen dabehalten.
Wie einen Sohn, den er nie hatte, so herzte er ihn und dem Jungen, der etwas jünger wie sie selber sein musste, war anzumerken, das es ihm peinlich war, von seinem Ausbilder derart vertraulich behandelt zu werden.
Später dann erfuhr sie den Grund seines, Vadims Verhaltens, denn der Soldat war ein Held, ein Glückspilz, ein Draufgänger, ja, er wäre sein Werk und was ihr Mann nicht noch alles für schöne kämpferische Bezeichnungen über ihn vom Stapel ließ, als dieser Blondschopf schon lange wieder zur Türe heraus war.
Dieser Chaim hätte seiner Gruppe in diesem Einsatzgebiet das Leben, die gesamte gefährliche Aktion gerettet, und sie dachte bei dem Namen unwillkürlich daran, dass er wohl jüdischer Abstammung sei, was sich ja dann als richtig herausstellte.
Seit diesem Tag entwickelte sich alles rasend schnell, es war wie eine Aufeinanderfolge loser Zufälle, an der sie Beide nicht ganz unschuldig waren.
Um Ausreden war sie nie verlegen, wenn Vadim ihre Besuche bei Freundinnen nachfragte und Chaim war erfinderisch in der Wahl ihrer Liebesnester, er verstand es die Bewegungsfreiheit fern aller Kommandozwänge in der Garnison zu nutzen. Sogar auf seinem kleinen Zimmer in diesem Hangar besuchte sie ihn und es war ihr egal, wenn einer der normalen Soldaten sieh dabei gesehen hatte, denn dort am anderen Ende der riesigen Garnison kannte keiner die Frau vom Oberstleutnant Vadim Sokolow.
So langsam schlief Dina ein, glitt über in einen mit Träumen angefüllten Schlaf, sie sah eine kräftige Hand, die ihre zu halten schien und auf einmal saß sie an einer langen Tafel mit feinstem Geschirr, da stand ein siebenarmiger jüdischer Leuchter mit blutroten Kerzen, so wie das Rot ihres Kleides und wie Tränen tropfte der Wachs und verlief in schmalen Linien auf dem weißen Tuch, sie sah eine Frau am anderen Ende der Tafel und Vadim stand hinter ihr, hatte seine Hände auf ihre nackten Schultern gelegt, wie von ihr Besitz ergreifend doch ihre Augenhöhlen waren leer, so als starre eine Tote sie an.
Sie spürte etwas an ihren Füssen, tastende Hände an ihren Schenkeln und sie ergab sich diesen durch eine erregende Wärme, die sie erfasste und so lehnte sie sich zurück, bog ihren Kopf nach hinten über die Stuhllehne doch da war auf einmal das ernste Gesicht Vadims über ihr, dessen Hände ihren Hals zu umfassen schienen und zwischen Erregung und dem Gefühl, als nehmen ihr seine starken Hände den Atem, öffnete sie sich , Vadims Gesicht verschwand mit einem Ruck und der junge Blondschopf war über ihr, in ihr und sie ergab sich dieser geballten konzentrierten Wärme, die sich am Mittelpunkt ihres Körpers wie eine Explosion zu entladen schien..
Doch das Gefühl verschwand mit einem Mal, denn etwas schweres lag auf ihr, erdrückte sie fast und Atem, der nach Wodka zu stinken schien hauchte in ihr Gesicht und mit einem erstickten Schrei war Dina wach und stieß den Mann über sich zur Seite, der Sekunden später leise vor sich hinzuschnarchen schien, so als wäre Minuten vorher nichts geschehen.
Dina Sokolow beschloss, in die Heimat zurückzukehren, komme was da wolle. Nicht eine Woche länger wollte sie in diesem fremden Land bleiben und Olga würde ihr dabei helfen, und dieser Gedanke beruhigte sie jetzt, dann, nach einer ganzen Weile schlief sie ein.

Rainer-Maria Rohloff

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