Sonntag, 24. Februar 2013

Die große Reise des Chaim Jahudin zum Mittelpunkt der Erde, der Geschichte 15.Teil, Ort, das Dorf Zweedorf zu Mittag des 9.Tages.

Der Wind kam aus Südwest und zuerst hörte es der Postenführer Mario Stetlinger im elf Meter hohen Beobachtungsturm an der Bahnlinie.
„ Sei doch mal still“, meinte er zu seinem Posten Klaus-Peter Rainewand, der gerade angestrengt durch sein Fernglas zu dem grün gekleideten Männchen starrte, und dabei leise einen neuen Schlager pfiff, den er erst vor kurzem auf seiner Gitarre vertont hatte.
Ihnen gegenüber am Bahndamm spitzte Karl Grünewald, das grüne Männchen und der Mann vom BGS die abstehenden Ohren, denn auch er hatte die starken Klänge vernommen.
„ Das ist doch die Moldau, von Bedrich Smetana, und zwar „an den Quellen“, meinte jetzt der Soldat zum Postenführer…und,“ das klingt wie eine Orgel“, fügte er noch an.
„Dann ist es Wolfgang…wer ist Wolfgang,“ und Rainewand sah den Anderen fragend an?
„ Wolfgang Woschinski, der Pole, der taubstumme Orgelspieler von Zweedorf, na ja, eigentlich ist er der Totengräber dort, so eine Art Mädchen für Alles und jede Sau kennt Wolfgang hier im Abschnitt!
„ Ich nicht“, meinte der junge Soldat, der erst zum zweiten Mal seinen Dienst im Abschnitt Büchen absolvierte.
Nicht weit von ihnen entfernt, hieb Wolfgang in die Tasten, so das die kleine Dorfkirche bebte und der Putz von den Wänden rieselte, er zog alle Register der alten Friese-Orgel und seine neue Vertonung schien ihm zu gefallen, denn er lächelte zufrieden vor sich hin.
Jede Strophe seiner neuen Vertonung des wunderbaren Stückes von Smetana war ihm ins Gedächtnis eingebrannt, so hatte sein Vater, der alte Kommunist , ihm doch ständig die Notenblätter um die Ohren gehauen und nicht nur diese.
Er hasste den Alten dafür, aber nur für seine bedingungslose Gewalt, ihm alles mit Macht einzuprügeln, so wie es wohl die Kommunisten sich auf ihre verdammte Fahne geschrieben hatten, aber nicht für die Musik, auch wenn der Alte immer seine Armbinde der Grenzhelfer aufzog und auf Streife ging,“ in seinem Gebiet“, wie er dabei stets mit Stolz betonte. Die Mutter schien er überhaupt nicht mehr zu sehen, der alte Säufer, und sie litt darunter und er, Wolfgang mit ihr.
Heute Vormittag war sein junger Freund Anton bei ihm in der Kirche und erst stotterte er vor sich hin, so das er nicht so recht von seinen Lippen ablesen konnte, was er überhaupt wollte, doch so nach und nach konnte er sich ein Bild vom ganzen Geschehen machen, was sich da auf diesem Dachboden bei seiner Nachbarin abspielte.
Alles lief jetzt wie ein Film in seiner Phantasie ab und er sah sich als Parlamentär mit der weißen Flagge aus der Kirche kommen, worin sich der junge Russe geflüchtet und verschanzt hatte und draußen stand sein Vater mit seinem höhnischen Grinsen und hinter ihm die Staatsgewalt, voll aufmunitioniert, Hunde zerrten wie rasend an der Kette und russische Panzer hörte man sich auf der Straße von Schwanheide nähern. und ein amerikanischer Hubschrauber stand über dem Zaun I., seine Rotorblätter wirbelten alles nieder, darin GI`s mit schussbereiten Sturmgewehren. und seine Fahne musste er halten, festhalten, dass sie ihm nicht aus den Händen gerissen wurde.
Aber er sah auch die Gesichter der jungen Grenzsoldaten, voller Angst, voll Ungewissheit ob der kommenden Stunde, die der vielen Offiziere, nicht minder erschrocken, so wie die, denen sie doch eigentlich Vorbild sein sollten.
Er würde seine Burg, die Kirche nicht kampflos preisgeben, sollten die Verhandlungen mit diesen alten Starrköpfen scheitern und war nicht der Kirchenvorstand in Ludwigslust vor kurzem vor der Staatsgewalt auf die Knie gefallen, die beschlossen hatten, das wunderbare alte Bauwerk zum Ende des Jahres 1978 dem Erdboden gleich zu machen.
Diese Heuchler, diese Barbaren, und er hieb in die Tasten mit aller Kraft und die alte Orgel gab das Letzte, so als schien sie zu fühlen, was ihr im nächsten Jahr bevorsteht.
Der Russe musste leben, und er, der Pole Wolfgang Woschinski würde kämpfen, egal, was es zwischen ihnen in der Geschichte für Querelen gegeben hatte, er würde dafür kämpfen, auch wenn er selber dabei draufgehen sollte.
Das kleine grüne Männchen war gerade im Dickicht abgetaucht, das sagte der Posten zum Postenführer: Hast du nicht heute Geburtstag?
„ Wie kommst du darauf,“ meinte Mario und lächelte verschmitzt? Na ja, die Gefreiten haben so etwas….erzählt.

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